
Der Quartier-Stammtisch: Was die Menschen bewegt und was sie bewegen wollen
Ein Stammtisch baut Brücken. Er bringt Menschen zusammen, setzt Gespräche in Gang und weckt Ideen. Ob als klassischer Stammtisch oder Meet-up konzipiert, wir zeigen alles Nötige zum erfolgreichen Start: Eine Anleitung mit Fallbeispiel.
Das Quartier in einer Stadt oder einer Agglomeration beherbergt ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Wollen die Bewohner*innen möglichst viel Lebensqualität, braucht das lokale Gewerbe eine attraktive Einkaufszone und die Vereine sind wie das Gewerbe auch auf bezahlbare Räume und Lokale angewiesen. So unterschiedlich die Themen sind, der Quartier-Stammtisch ist ein gutes Format, um Probleme und Lösungen zur Sprache zu bringen. Mit der nötigen Strategie, einem längerfristigen Konzept und etwas Kreativität bringen Stammtische ganz neue Kooperationen und Initiativen im Quartier hervor.
Der Stammtisch: Was zeichnet ihn aus?
Die Merkmale von einem Stammtisch sind für die Entwicklung von Quartieren interessant. Dieses Fazit gilt für alle seine Formen, insbesondere aber drei Formate.
Formate für das Quartier
- der klassische Stammtisch (themenoffen)
- der thematische Stammtisch
- das Meet up.
Kriterien für die Planung
Daneben gibt es weitere Formate wie das Eltern-Café oder Club- und Vereinsabende. Alle Formen zeichnen sich aus durch:
- räumliche Nähe
- physischer Ort
- regelmässige Durchführung
- offen für alle Stakeholder
- definierter Zeitrahmen
Richtigerweise gilt es, diese Faktoren vorab für den Quartier-Stammtisch zu definieren. Insbesondere bei der Wahl des richtigen Tages und der richtigen Uhrzeit gilt es sorgfältig zu planen. Wie im «guten alten Stammtisch», wo der Wirt oder die Wirtin für einen geordneten Ablauf gesorgt hat, braucht es auch für den Stammtisch in der Quartierarbeit eine ordnende Hand.



Ziele und Zusammenarbeit
Damit der Stammtisch auch seinen Beitrag für die Entwicklung von Quartieren leisten kann, braucht es ein Konzept mit definierten Zielen und Massnahmen. Inwiefern die räumliche Nähe und der physische Ort zwingend sind, hängt auch von der avisierten Zielgruppe ab. Noch immer gilt die einfache Faustregel, je älter das Publikum, desto weniger digital. Sind digitale Angebote (Umfragen etc.) oftmals eine gute Ergänzung, bringt das persönliche Zusammentreffen die besseren Ergebnisse – insbesondere, wenn sich die Teilnehmenden noch nicht kennen.
Partizipation und Stammtisch: so gelingt es!
Der Stammtisch findet im Quartier statt. Da die Veranstalter dieses gut kennen, sind sie auch mit den verschiedensten Personen vernetzt. Aus diesen persönlichen Einsichten (qualitative Einschätzung) können sie schon ein erstes Mal abschätzen, was der Stammtisch zum Start leisten kann – und sollte.
Verknüpfen und erweitern
Andere Ziele, die einbezogen werden müssen, sind intern. Dazu gehören zum Beispiel die statuarischen Ziele von einem Veranstalter wie einem Quartierverein. Gehört die Vertretung von Interessen oder Vernetzung der Bewohner*innen zu den Zielen, lassen sich diese gut mit dem Stammtisch einlösen. Was der Stammtisch dann wirklich einlöst, entscheiden die teilnehmenden Personen mit – seien es Bewohner*innen, Gewerbetreibende oder auch Tagesaufenthalter.
Expertentipp: Es ist ein Detail, kann aber ganz schön für Verwirrung sorgen. Sind die Getränke für die Teilnehmer kostenlos, müssen sie bezahlt werden oder gibt es Unterschiede? Klären Sie diese Frage wenn möglich bereits zu Beginn der Veranstaltungs-Reihe: Einmal eingeführt, ist die Art und Weise der Verpflegung nur wieder schwer zu ändern.
Keine Partizipation ohne Ziele…
Bei den partizipativen Zielen ist es zumeist sinnvoll, bereits den Vorstufen wie Information und Einbezug anzusetzen. Im Sinne von nutzerzentrierten Ansätzen wäre das die Stufe «Erkunden» oder «Ausgangslage» in der klassischen Projektarbeit. Trotzdem, das schliesst aber keineswegs aus, das bereits hier erste Beteiligungen stattfinden.
… ohne Resultate keine Mitwirkung
Auf jeden Fall sinnvoll ist es, bereits die ersten Resultate auf Basis der «Befragung» für die nächsten Schritte und Initiativen der Stammtisch-Reihe beizuziehen. Dabei handelt es sich um «teilnehmende Beobachtungen», ohne dass dies wissenschaftlich sein muss – in der Praxis haben sich einfache «Impact Cards» gut bewährt – ein abgewandeltes Format aus der nutzerzentrierten Projektentwicklung.
Zu Beginn der Stammtisch-Serie ist offen, was die Resultate sind. Bereits im Vorfeld allerdings sollte bestimmt werden, wie die Ideen aus dem Quartier gesammelt werden und wie die Resultate transparent aufgearbeitet werden. Hier haben sich digitale Formate bewährt: Resultate lassen sich schnell auf einer eigenen Webseite darstellen und auch gleich mit einer Umfrage verbinden – die Auswahl an Tools hat für jeden Anspruch etwas dabei.
Stammtisch im Quartier: Das Set-up macht’s
Der langfristige Erfolg eines Stammtisches lässt sich nicht über einen einzigen Anlass erzielen. Nicht nur im Vorfeld der ersten Durchführung geht es darum, den Anlass bekannt zu machen. Sei es über Aushänge, Flyeraktionen oder über Social Media – wer die Menschen erreichen will, muss die Kommunikation über die ganze Zeit mitdenken. Sinnvollerweise werden bereits bestehende Kanäle und nur dort, wo es sinnvoll ist, zu Beginn neue Berührungspunkte geschaffen.
Transparenz und Erfolgsmessung
Für den Stammtisch im Quartier gelten die gleichen Regeln wie für alle Projekte der Mitwirkung und Partizipation. Ein besonderes Augenmerk gilt bei diesem Format der Transparenz, insbesondere wenn es als offener Stammtisch konzipiert ist. Denn was mit den angesprochenen Themen in der Folge passiert, entscheidet massgeblich über den Erfolg der Stammtisch: Sehen die Teilnehmenden auch, was mit den Inputs und Ideen geschieht?
Ebenfalls ein besonderes Augenmerk verdient die gute Mischung der Teilnehmer*innen: Ein Mix aus Bewohner*innen, Gewerbe- und Vereinsvertretern sowie politischen Vertretern erhöht nicht nur die Glaubwürdigkeit des Anlasses, sondern auch seine Relevanz. Das zeigt sich auch im Beispiel unten: der Quartierverein Hirslanden wird von Gewerbe und Politik als Impulsgeber verstanden und erhält regelmässig Anfragen zu den Resultaten.
Fallbeispiel
QUARTIERVEREIN HIRSLANDEN
Wo: Hirslanden ist eines von 34 Quartieren in der Stadt Zürich. Bis zu seiner Eingemeindung im 19. Jahrhundert war es eine selbständige Gemeinde. Heute dagegen ist die ehemalige Gemeinde mit knapp 7 500 Einwohnern vor allem ein Wohnquartier.
Was: Es ist ein Wohnquartier mit (zu) wenig Familien und zu viel Durchgangsverkehr. Der Quartierverein hat das Ziel, die Bewohner*innen zu vernetzen und die Interessen nach aussen zu vertreten. Der Stammtisch wurde an der Generalversammlung von den Mitgliedern gefordert und verabschiedet.
Wie: Der Stammtisch soll offen sein, aber nicht beliebig. Der Stammtisch wurde als partizipatives Format entwickelt, dass auf Information, Vernetzung und Initiierung abzielt.
Das Format «Stammtisch» wurde von Enovation mit den folgenden Schritten unterstützt:
Analyse
– qualitative Bedarfsanalyse
Konzept
– Partizipationsziele 2022
– Grobkonzept Stammtisch-Serie für das Jahr 2022
– Detailkonzept für den Sommer-Anlass im Juni 2022
Umsetzung
– Entwicklung & Umsetzung partizipativer Formate
– Entwicklung & Umsetzung Kommunikationsmassnahmen
Organisation
– Debriefing & Ausblick
– Projektleitung
Format: Offenes Format, optimal 15-30 Personen, Dauer 2-3 Stunden
Organisation: Ein wichtiger Aspekt des Projektes bestand darüber hinaus, die Organisation für die weitere Durchführung der Stammtisch-Serie zu befähigen.
Menschen im Fokus: Weil bei Enovation die Bedürfnisse zählen
Die Bedürfnisse von Menschen sind so unterschiedlich und vielfältig wie sie selbst. Trotzdem lassen sich diese bei einzelnen Themen und Interessen bündeln. Diese Bündel («Cluster») von aktuellen Themen und gewünschten Aktionen herauszuschälen, gehört zur Expertise von Enovation. Dabei hat das interdisziplinäre Team hat langjährige Erfahrung auf Senior-Stufe und weiss, was sich bewährt und wo Stolpersteine warten. Jedoch hat jedes Projekt seine eigenen Charakter. Deshalb gehört auch die Neugierde und die Lust am Unbekannten unserer Projektleiter zu den Erfolgsfaktoren bei Enovation.