«Alles Partizipation, oder was?»
Partizipation ist wieder angesagt. Aber ist es mehr als eine wiederkehrende Mode? Ja. Aber die Methode ist kein Selbstläufer. Wie sie gelingt und welche Erweiterungen es für den Erfolg heute braucht.
In Schweizer Städten ist wieder viel von Partizipation zu hören. Kaum eine Fachstelle in der Entwicklung von Arealen oder Quartieren, die nicht einen partizipativen Prozess ausgerufen hat. Gleichzeitig hat der Begriff ausserhalb der Fachkreise einen angestaubten Klang – und versprüht etwas vom Charme der 1980er Jahre. Tatsächlich gibt es gute Gründe, dass die Partizipation verstärkt in den Fokus von Entwicklungsprozessen gerückt ist. Dabei gilt es aber nicht nur die verschiedenen Stufen von Partizipation zu unterscheiden, sondern auch echte von vorgetäuschter Partizipation.
Partizipation oder Pseudopartizpation?
Echte Partizipation hat auf den ersten Blick etwas Unheimliches an sich: Es ist zu Beginn nicht klar, was am Schluss das Resultat ist. Partizipation heisst deshalb auch, die Unsicherheit zu Beginn aushalten. Diese Unsicherheit reduziert sich aber automatisch, da am Startpunkt jeder Partizipation sinnvollerweise eine Fragestellung oder ein Themenkreis steht. Wieso ist das sinnvoll? Dieses Framing gewährt sowohl den Durchführenden als auch den Teilnehmenden, was die Erwartungen sind. Eine Fragestellung «Alles» ist wie in jedem Projekt des Hasen Tod.
Partizipation steht wie die Methoden des Design-Thinking für eine gewisse Offenheit. Pseudopartizipation dagegen will diese Offenheit gerade nicht, sondern sucht beispielsweise eine Begründung für den eigenen Vorschlag. So wie Partizipation sich nicht für jeden Zweck eignet, ist von der Pseudopartizipation doch in jedem Fall abzuraten. Denn die Teilnehmenden merken schnell, wenn es nicht ernst mit ihnen gemeint ist.
Veränderung gestalten, Wissen nutzen
Quartiere wie Städte stehen vor grossen Aufgaben. Sollen diese bewältigt werden, braucht es die Zivilgesellschaft. Das gilt nicht nur für die grossen Themenfelder wie Energiewende, Klimaschutz oder Gemeinwesen, sondern auch für kleine Verbesserungen im Alltag. Denn wer ist näher an den Problemen des Alltags wie die Quartierbewohner*innen?
Das Wissen der Interessensgruppen kann sowohl in der Analyse wie der Umsetzungsphase von Initiativen oder Projekten genutzt werden. Zentral für das Teilen von Wissen ist eine nötige Transparenz: Es muss klar sein, was mit den Anregungen oder Einwänden geschieht – eine saloppe Haltung wie «Adieu Merci!» kommt bei den Teilnehmenden nie gut an. Das gilt für alle beteiligten Gruppen und deren Vertreter – und nicht nur in Quartieren, sondern auch in Vereinen oder Organisationen.
Sinnvolle Erweiterungen – für Menschen mit wenig Zeit und Gestaltungswillen
Die digitale Welt hat nicht nur erfolgreiche Methoden für Veränderungsprozesse hervorgebracht, sondern auch ganz konkret sehr nützliche Anwendungen. Denn nicht immer haben die Menschen gerade an diesem Abend Zeit, sich einem Thema zu widmen. Hier helfen softwarebasierte Anwendungen, weitere Argumente zu sammeln oder eine Diskussion zu führen – wobei beim letzten Punkt die Moderation der Beiträge nicht unberücksichtigt bleiben sollte. Aber es geht hier nicht einfach um Listen, die geführt werden: Punkte in Quartieren können markiert werden, Diskussionen eröffnet werden, Abstimmungen gemacht werden.
Auch in der Umsetzung kann die digitale Welt die analoge gut unterstützen (siehe z.B. hier am Projekt «Quartier-Stammtisch»). Die Zuweisung von Aufgaben, Terminierungen und viele andere kleine Aufgaben der Projektarbeit können mit bestehenden, kostenlosen Tools umgesetzt werden. So muss sich nicht eine «Präsidentin» für ein Strassenfest um alles kümmern, sondern kann zusammen mit den anderen engagierten Bewohnern die Arbeiten koordinieren – und das in der Vorbereitungszeit ganz zeit- und ortsunabhängig. Und das gilt natürlich auch für die Velobörse, den Setzlings-Tausch-Tag oder die Bücherecke in der ausgedienten Telefonkabine.
Gut zu Wissen: Einbezug statt Wegzug
Was habe ich davon, wieso soll ich Teil der Veränderung sein? Die Methoden der Partizipation und des Design-Thinkings sorgen dafür, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet werden. Wie in allen Entwicklungsprozessen müssen nicht alle Betroffenen mitmachen, aber alle Betroffenen müssen in ihren Bedürfnissen abgeholt sein.